Anime Aspects: Fanservice – Wie viel ist zu viel?

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Sex Sells! Das ist eine Wahrheit, die nicht nur dem Westen bekannt ist. Fanservice bezeichnet die gängige Praxis in Anime und Manga, Fans der Serie einen zusätzlichen Anreiz zu bieten, der meist nichts mit der eigentlichen Story zu tun hat. Dabei handelt es sich in der Regel um sexuelle Anreize, indem Charaktere zum Beispiel in peinliche Situationen gebracht werden oder sich die Kleidung der kämpfenden Heldin in mehr actionlastigen Shows nach und nach auflöst.

Fanservice

Weibliche Reize sind die am weitesten verbreitete Form von Fanservice in Anime.

Natürlich gibt es durchaus auch andere Formen von Fanservice – beispielsweise durch versteckte Hinweise auf andere Werke, exzessive Gewaltdarstellung oder Metaanspielungen. Aber das Prinzip bleibt das gleiche. Nur um eines vorweg klarzustellen: Es geht hier nicht um Hentai mit tatsächlich pornografischen Inhalten oder Ab-18-Horror-Schocker. Wenn von Fanservice die Rede ist, dann geht es hauptsächlich um ganz ‚normale‘ Anime aus den Bereichen Shounen, Shoujo oder Seinen, die in Deutschland maximal eine USK-16 Einstufung bekommen.

Fanservice in Form von sexuellen Inhalten ist dabei definitiv kein modernes Phänomen. Schon 1991 nahm sich das bekannte Studio Gainax mit dem zweiteiligen OVA Otaku no Video selbst auf die Schippe. Nach diesem Studio wurde auch der Begriff Gainaxing oder Gainax Bounce Effect benannt. Es handelt sich hierbei um eine Form von Animation, in der weibliche Brüste mit viel Liebe zum Detail so animiert werden, dass jede noch so kleine Bewegung des Oberkörpers zu einem fast hypnotischen Welleneffekt führt, der sich entgegen allen physikalischen Gesetzen und mit erhöhter Elastizität immer weiter propagiert. In der Fangemeinde wird dieser Effekt in der scherzhaft gemeinten Einheit Misty May gemessen – benannt nach der gleichnamigen Figur aus Otaku no Video. Ein Misty May entspricht dabei einem ganzen Hüpfer.

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Der Gainax Bounce Effect – weil Anime und die Gesetze der Physik selten miteinander übereinstimmen.

Obwohl natürlich vor allem weibliche Figuren zu diesem Zweck genutzt werden, fehlt es in der Anime-Welt auch nicht an Fanservice-Momenten für männliche Charaktere. Ein gutes Beispiel für Gleichberechtigung in Sachen Fanservice ist Hiro Mashimas Fairy Tail. Protagonistin Lucy Heartfilia sowie die anderen weiblichen Charaktere der Serie zeigen regelmäßig viel nackte Haut. Auf der anderen Seite sieht man aber auch Hauptcharakter Natsu des Öfteren mit offener Weste kämpfen, die relativ wenig der Vorstellung überlässt. Gray Fullbuster zieht sich regelmäßig bis auf die Unterhose aus, ohne dass es dafür wirklich einen Grund gäbe.

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Fairy Tail bietet enorm viel Fanservice, aber immerhin gibt es einen gewissen Grad an Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.

Doch wie viel Fanservice ist zu viel? Einen guten Mix bietet Rumiko Takahashis altehrwürdige Hitserie Ranma ½, denn sie bietet schon vom Grundkonzept her eine gute Mischung der Genres Martial Arts Action und Romantic Comedy. Da es sich um einen Hauptcharakter handelt, der beim Kontakt mit Wasser spontan das Geschlecht wechselt, ergeben sich solche Situationen auf natürliche Weise aus der Handlung selbst heraus und lenken somit nicht allzu sehr vom eigentlichen Kern der Serie ab.

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Ranma ½ – eine guter Mix, der Fanservice auch immer mit einer Portion Humor zu mischen verstand.

Dass es nicht immer gelingt, diesen Spagat dauerhaft durchzuhalten, zeigt eine andere Serie, die auf Kampfsport angelegt ist – Syun Matsuenas History’s Strongest Disciple Kenichi. Da Kenichi im Gegensatz zu Ranma eher eine dramatische als eine Comedy-Ausrichtung besitzt, kommen Fanservice-Momente auf weniger natürliche Weise zustande und sind als solche deutlicher erkennbar. Zu Beginn der Mangareihe und im Anime hielten sich diese Momente noch in Grenzen. Doch ab circa der Hälfte des Manga schlug das Pendel viel zu weit um.

Als sich die Serialisierung im Jahr 2014 langsam dem Ende zuneigte, machte sich bei vielen Lesern Unmut breit. Denn es schien teilweise so, als wäre die Story nur noch ein Vorwand, in jedem Kapitel mindestens zwei oder drei ganzseitige Illustrationen einer nackten oder halbnackten Shigure zu zeigen, die mitunter immer unangenehmer für den Leser wurden. Manch einer wünschte sich sogar das Ende herbei, damit die durchaus beliebte Serie nicht komplett zu einem Hentai degenerierte.

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Was anfangs noch ab und an gerne von den Fans gesehen wurde, nahm gegen Ende der Serie überhand. Wahrscheinlich war es gut, dass History’s Strongest Disciple Kenichi nicht noch länger lief.

Darin zeigt sich auch die Gefahr von Fanservice, der ja eigentlich als Anreiz für Fans gedacht ist. Mancher Autor kann vielleicht in die Versuchung kommen, Fanservice als Krücke zu benutzen, wenn einmal die Inspiration ausbleibt. Gerade bei Manga-Autoren, die zum Teil über Jahre hinweg jede Woche ein neues Kapitel abzuliefern haben, kann so etwas schon einmal vorkommen.

Historiker mit einem Faible für Fantasywelten, RPGs, Anime und MLP.