Silicon Valley: Startups und zerstörerische Dekadenz

Kolumnen Specials

Bethke Basht, Folge 1

Silicon Valley wird im allgemeinen Tenor gern als das Nonplusultra in Sachen Innovation, Fortschritt und Startup-Kultur gesehen. Gerne klammert man allerdings dabei aus, dass die Kehrseite der Medaille eine grenzenlose Dekadenz, gepaart mit einem absurd überzogenen Monopoly-Kapitalismus ist. Auf der einen Seite kluge Köpfe, die zwar Ideen und Visionen haben, aber auf der anderen Seite von Wirtschaft und dem normalen Leben keine Ahnung haben, während junge Venture Capital-Investoren ihre Millionen an Monopoly-Spielgeld in gewinnbringende „Ideen“ investieren wollen.

Man will dank dem USP des Startup-Tech-Savy einen Exit fahren, bei dem Full Stack Developer ihre Work-Life-Balance bei einem Coffee-to-Go-Decaf hinterfragen. Nichts verstanden? Dann geht’s Euch wie den Investoren, die mal eben 120 Millionen Dollar in einer überteuerte Saftpresse investiert haben, die keinen wirklichen Nutzen hat. Es ist ja nicht so, dass man mit 120 Millionen Dollar vielen Menschen hätte wirklich helfen können. Aber bevor ich mich weiter in Tiraden verliere, gibt es hier die Geschichte dazu.

In den USA hatte ein junges dynamisches Tech-Startup die glorreiche Idee, eine Saftpresse zu entwickeln, die aus Plastik- oder Aluminiumpackungen den Fruchtsaft herausdrückt. Natürlich sprangen gleich die Heuschrecken, oh Verzeihung, ich meinte die uneigennützigen Investoren herbei und pumpten mal eben 120 Millionen in dieses Projekt. Das Unternehmen hört auf den freundlichen Namen Juicero und will seine Saftpresse für je 400 Dollar auf den Markt bringen. Zugegeben, für den Preis kann man sich auch gleich einen Thermomix holen, aber ich will der Generation Hip-und-Trendy-wir-konsumieren-eh-alles-aus-Aluminiumschälchen-wie-Haustiere natürlich nicht in ihren Lifestyle reinreden. Man könnte sonst den Eindruck gewinnnen, ich sei ein Grumpy Old Man.

Wie dem auch sei, die Investoren haben jetzt herausgefunden – kein Witz – dass man gar keine Maschine braucht um den Saft aus den Beuteln zu pressen. Genauer gesagt kann man den Saft sogar mit der Hand herauspressen. Schockschwerenot und Donnerwetter, da müssen sich die Investoren ja gefühlt haben wie die ersten Höhlenmenschen als es darum ging, ein Feuer zu entfachen. Die Geschichte ist aber hier noch nicht zu Ende, auch wenn ein halbwegs gebildeter Mensch sich jetzt unweigerlich fragt: WTF ist eigentlich los mit den Menschen?

Juicero, das Unternehmen vom Veganer (jep) Doug Evans sieht sich als „Lebensretter“. Weil der durchschnittliche Amerikaner laut Evans nicht gesund genug isst (das Modewort nennt sich „100% total Organic“) will er mit seinem Juicero Abhilfe schaffen, sozusagen als Weltenretter. Was der gute Doug bei seinem ohnehin schon idiotischen Unterfangen nicht berücksichtigt hat: Dass die Beutel Ressourcen verschwenden und Müll produzieren. Und zwar eine ganze Menge.

In dieser Art der egoistisch ideologischen Denkweise liegt ein großes Problem unserer Zeit. Man selbst sieht sich immer als strahlender Held, der immer richtig liegt und anderen den Weg zeigen muss, während die Realität diametral zu diesem Selbstbild steht. Oder wie es Doug auf seiner Homepage absolut dezent und bescheiden formuliert:

„Juice is the beginning. This is the future of food. Juicero will be leading the way on every front-food science, nutrition, technology, design, supply chain – as we build an ecosystem capable of getting organic produce from local fields into homes in ways that are both innovative and convenient.“

Chefredakteur mit einem Faible für Achievements. Mittlerweile Bartträger und begeisterter Science Fiction Leser