Far Cry 5: Oh Ubisoft, erhöre mich!

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Joseph Seed – Ein Far Cry ist nur so spannend wie sein Antagonist

Far Cry 5

Joseph Seed kann auf jeden Fall schön singen

Joseph Seed ist Prophet, Brillenträger, hat ein Faible für Ganzkörper-Tattoos und verzierte AK47s, und sucht nach einem Spieler zum Terrorisieren. Seine selbstgegründete „World of Joseph“-Sekte orientiert sich durch ihren Titel, ihre Kreuz-Symbole und Abendmahl-Darstellungen an der christlich orthodoxen Church of Christ. Auch er steht unter dem Erwartungsdruck seiner Vorgänger Vaas Montenegro und Pagan Min. Ist er jetzt nur wieder irgendwie psychopathisch? Eine psychopathische Persönlichkeit muss schließlich nicht ausgearbeitet werden, wenn sie nur fünfzehn Minuten im gesamten Spiel zu sehen ist.

Far Cry 5

Vaas Montenegro

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Pagan Min

 

 

 

 

 

Das Prägnante an Vaas war, dass er sich organisch in seine Spielwelt einfügte. Er stellte das fleischgewordene Gesetz des Dschungels dar und somit auch die Vollendung unserer eigenen Transformation – während Pagan Min nichts anderes als einen 0815-James-Bond-Bösewicht mimte, der in seinem Palast hockte und eigentlich nur Krieg mit uns führte, weil wir zu früh vom Esstisch aufgestanden sind. Ohne seine Armeen war Pagan eigentlich nur eine overdresste Diva, während Vaas selbst kämpfen konnte und hundertmal gefährlicher als jeder seiner eigenen Männer war. Ach ja – ich habe Far Cry Primal vergessen, oder? Gut, man muss zugeben, dass das Spiel eher wie eine Far Cry 4 Steinzeit Modifikation aussah und der böse Häuptling dort eigentlich nichts Nennenswertes an sich hatte. Egal! Behalten wir uns für die weitere Besprechung eines guten Bösewichtes die Aspekte „Organisch“ und „Gefährlich“ im Hinterkopf.

Nun zu Joseph Seed: Für die Führung einer Sekte wird er 1) intellektuell und 2) charismatisch sein müssen, um religiöse Lehren zu entwickeln und diese auch gut vortragen zu können. Und 3) muss er eine mysteriöse Erscheinung besitzen, die seine eigentliche Herkunft verschleiert und ihm den Charakter eines göttlichen Werkzeugs verleiht, was ihn zugleich unsterblich wirken lässt. Soweit die Trailer darüber Aufschluss geben, wird er tatsächlich organisch mit der Welt verbunden sein und tatsächlich selbst kämpfen. Spielen wir spaßeshalber ein paar kranke Szenen im Kopf durch: Joseph Seed wird uns mit Bibelzitaten überschütten, vermutlich beim Taufen fast ertränken, uns vielleicht ein Tattoo mit der Todsünde unserer Wahl spendieren und uns vielleicht sogar für einen bestimmten Teil der Handlung zu seinem Glauben bekehren. Und ja – das wäre meiner Meinung nach die beste Story-Entscheidung, wie man dieses Setting am interessantesten nutzen könnte. Egal, ob man wirklich überzeugt oder nur dazu gezwungen wird. Manipulation kann nur dann am besten dargestellt werden, wenn man sie am eigenen Leibe erfährt.

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Und ich sage euch, dass dieses Spiel dank mir gut werden wird! In Ewigkeit, Ubisoft!

Ein weiterer Vorteil dahinter wäre, dass man mehr Zeit mit dem Antagonisten verbringen könnte. Das Grundproblem der letzten Teile war nämlich, dass die Bösewichte – im Bezug auf die Urlaubs-Metapher – uns am Anfang zwar ein kolossales Einchecken bescherten, aber dann nur noch hin und wieder wie ein Zimmerservice auftauchten, um uns zu fragen, ob wir uns mittlerweile ohne sie langweilen. Ja – denn an sich machen sie bei Far Cry den Unterschied zwischen einem normalen Call of Duty und einem interessanten Wahnsinn-in-der-Wildnis-Shooter aus. Wieso also nicht mehr Missionen mit Joseph Seed verbinden, anstatt uns nur mit seinen langweiligen Schergen zu balgen, um am Ende wieder seinen Monologen lauschen zu können? Oder er könnte – nicht die beste Lösung, aber zumindest eine – über Lautsprecheranlagen mit uns kommunizieren und unser Treiben kommentieren. Spannend fände ich es zudem, wenn Seeds Überzeugung eine pragmatische Kehrseite hätte, er nur predigt, um zu kontrollieren, aber nicht unbedingt selbst dahinter steht. Oder uns wird ein nachvollziehbarer Entwicklungsweg für seine Konfession gezeigt, begründet durch traumatische Erlebnisse aus seiner Vergangenheit – (die wir vielleicht aus seiner Sicht nachspielen könnten?) Kurz: Je mehr Screentime er bekommt, desto mehr Persönlichkeit kann er auch haben und desto besser wird dieses Shooter-Theater.

Ok, so viel zumindest schon mal dazu: Ich könnte jetzt noch

  • über das Gameplay  reden, in dem die monotonen Nebenquests durch weniger, aber interessantere Quests ausgetauscht werden sollten
  • ansprechen, dass es neben dem  Antagonisten vor allem noch differenziertere Untergruppen-Kämpfe als in den Vorgängern geben sollte, siehe Gestrandete  versus Rakyat in Far Cry 3 und Sabal versus Amita in Far Cry 4
  • dass die individuelle Geschlechter-Bestimmung des Protagonisten /der Protagonistin zwar cool klingt, aber jetzt auch noch kein innovatives Feature darstellt
  • darüber lästern, wie selten dämlich es ist, dass es keinen sinnvollen Story-Koop-Modus geben wird
  • noch sagen, dass ich mir um die Flug-Engine Sorgen mache

und, und, und, und….aber das würde den Rahmen sprengen. Wichtig ist vor allem, dass Far Cry 5 sein Setting nutzt und wieder einen richtig, bösen, interessanten Buben auf die Matte stellt.

Das Problem ist, dass, wenn Ubisoft diese Möglichkeiten nicht nutzt, die es jetzt tatsächlich hat,  wir als Spieler bei jedem weiteren Teil immer weniger überrascht und dafür umso resignierter reagieren werden. Dass uns der Schrei aus der Ferne nicht mehr zum Abenteuer aufrufen kann, bis er sich heiser schreit und letztendlich vollkommen verstummt. Aber noch glaube ich an Far Cry 5. Tust du das auch, Ubisoft?

In Wirklichkeit ist Michael ein strenggeheimes Forschungssubjekt, das aus einem Genlabor geflohen ist, in dem man Eichhörnchen mit Piranhas gekreuzt hat. Aber das weiß natürlich niemand. Um nicht aufzufallen, gibt er sich als frecher Kritiker aus, der Literarisches Schreiben studiert, viel zu viel zockt und eine Schwäche für selbstgemachten Eistee hat.